Von außen wirkt Radfahren furchtlos. Geschmeidige Abfahrten, perfektes Selbstvertrauen, pure Freiheit.
In Wirklichkeit? Manchmal quietschen die Bremsen lauter als der Mut. Manchmal fühlt sich ein Trail an wie eine Klippe. Und manchmal reicht ein vorbeifahrendes Auto, um jeden deiner „Fight-or-Flight“-Reflexe auszulösen. Kann man etwas dagegen tun?
Eine neue Art von Angst kennenlernen
Als ich mir nach zwanzig Jahren auf der Straße mein erstes Mountainbike gekauft habe, hatte ich ein klares Bild im Kopf: Flowtrails, Bikeparks, Sprünge, steile Abfahrten – ich war bereit, furchtlos zu sein.
In der Praxis stellte ich jedoch schnell fest, dass Schwerkraft, Felsen und sehr reale Konsequenzen einen schnell demütig werden lassen.
Auf meiner fünften Tour wollte ich einen beliebten roten Trail ausprobieren. Der erste Abschnitt war großartig – schnell, verspielt, genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Dann kam eine steile Passage, ohne Fehlertoleranz. Ein Sturz dort wäre nicht nur ein blauer Fleck. Es sah nach dem Typ Sturz aus, der Urlaub, Job – und vielleicht ein paar Knochen beendet.
Mein Körper reagierte sofort: Schultern verkrampft, Bremsen im Todesgriff, völliger Stillstand. Ich schob das Bike runter, so unbeholfen wie möglich, und versuchte, nicht mal beim Gehen zu stürzen.
Das war nicht die Progression, die ich erwartet hatte. Ich wusste, Mountainbiken fordert Technik – aber ich hatte die mentale Komponente unterschätzt. Angst stand nicht auf meiner Checkliste. Aber sie war da: physisch, instinktiv – und, zugegeben, ziemlich vernünftig.
Die Angst vor dem Bergab – rationaler, als du denkst
Angst beim Bergabfahren ist nicht irrational. Du bist schnell unterwegs, der Boden ist hart, und dein Körper besteht aus Knochen, die brechen können. Selbst auf der Straße kann eine Abfahrt mit 60 km/h in eine offene Kurve einen kalten Schauer den Rücken hinunterjagen. Das Risiko ist real.
Aber Angst hat auch eine Funktion: Sie hält dich am Leben.
Was hilft wirklich?
Schrittweise steigern: Anspruchsvollere Trails in kleinen Dosen statt große Sprünge.
Technik vor Tempo: Körperposition, Blickführung, Bremskontrolle.
Gezieltes Üben: Schwierige Passagen bewusst und wiederholt fahren.
Rechtzeitig aufhören: Wenn der Kopf blockiert, lieber früher stoppen – bevor die Angst gewinnt.
Für mich war der größte Gamechanger, wenn ich Passagen gemeistert habe, die mir vorher Angst gemacht hatten. Jedes Mal entstand ein neuer mentaler Referenzpunkt – eine kleine Sammlung von Momenten à la „Das war schon schlimmer“.
Wenn ich heute vor einer kniffligen Stelle stehe, habe ich sofort ein Bild im Kopf von etwas Ähnlichem, das ich schon geschafft habe. Oft reicht das, um den Mut wiederzufinden.
Die Angst meiner Partnerin sah anders aus
Ihre Geschichte begann nicht auf einem Trail, sondern auf einem Zebrastreifen. Ein Auto erfasste sie – offener Beinbruch, zwei Operationen, lange Reha, ein Schock, der bleibt.
Jahre später begann sie zu radeln. Doch der Straßenverkehr war für sie kein Unbehagen – sondern ein Auslöser.
Wir fingen vorsichtig an: Radwege, ruhige Straßen, sichere Runden. Aber wer in Prag Rennrad fährt, weiß – Verkehr gehört dazu. Manchmal mussten wir mitten in der Fahrt anhalten, damit sie runterkommen konnte. Zu viel auf einmal war kontraproduktiv.
Doch mit der Zeit gewöhnte sie sich daran. Heute wird sie nur noch an großen Kreuzungen nervös. Ganz ehrlich? Da bin ich auch nicht völlig entspannt.
Angst im Straßenverkehr – die unbequeme Wahrheit
Manche Ängste lassen sich zähmen. Andere lassen sich nur managen. Verkehr ist beides. Und anders als Trailfeatures sind Autofahrer*innen unberechenbar – und nicht immer rücksichtsvoll.
Was hilft?
Kontrollierte Gewöhnung: Erst in stressarmen Umgebungen Selbstvertrauen aufbauen.
Planbare Routen: Weniger Überraschungen, weniger Stress.
Klare Routinen: Schulterblick, Handzeichen, Positionierung in der Fahrspur.
Gemeinsam fahren: Sicherheit und mentale Unterstützung durch andere.
Wie auf dem Trail gilt: Zu viel Sicherheitsblase führt zu Stillstand, zu viel Chaos zu Rückschritt. Der Sweet Spot liegt irgendwo dazwischen.
Was ist mit dir?
Angst gehört für die meisten Radsportler*innen dazu. So schön unser Sport ist – ein gewisses Risiko bleibt. Vielleicht liegt es am Älterwerden, an der Erfahrung, wie lange Heilung dauern kann – oder einfach daran, dass man genauer weiß, was alles schiefgehen kann.
Ich merke jedenfalls, dass ich heute sensibler auf Situationen reagiere, die ich früher ignoriert hätte. Mein Rezept? Weiterfahren. Weiter Spaß haben. Auch wenn der Fortschritt langsamer ist, als ich mir wünsche.
Wie gehst du damit um? Verkrampfst du auf Abfahrten? Nervt dich der Verkehr? Und – ganz ehrlich – wie wird man die Angst vor Sprüngen los? Vielleicht Thema für den nächsten Beitrag.




