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World Mental Health Day: Warum Radfahren gut für den Kopf ist – und wir öfter darüber reden sollten

Von Megan Flottorp

Wenn du Radsportler*innen fragst, warum sie fahren, kommen meist ähnliche Antworten: Freiheit, Fitness, Freundschaft, Kopf frei kriegen. Doch in letzter Zeit wird ein Thema immer lauter: mentale Gesundheit. Vom Profi-Peloton bis zum lokalen Radclub – immer mehr sprechen offen über Stress, Erschöpfung und seelisches Wohlbefinden.

Der World Mental Health Day am 10. Oktober ist ein guter Anlass, um zu feiern, dass die Radsport-Community in Sachen mentale Gesundheit spürbar einen Gang höher schaltet.


Wenn die Beine weiterrollen, aber Kopf und Körper eine Pause brauchen

Profisportler*innen waren lange darauf trainiert, durchzuhalten – egal, wie sehr es weh tut. Doch in den letzten Jahren haben einige gezeigt, dass Mut auch heißt, mal anzuhalten.
Tom Dumoulin nahm sich bewusst eine Auszeit, Rohan Dennis sprach offen über Burnout, und Lizzie Deignan teilte ihre Erfahrungen, Muttersein und mentale Balance unter einen Helm zu bringen. Teams integrieren inzwischen Sportpsycholog*innen in ihre Betreuung – weil klar ist: Mentale Gesundheit ist keine Nebensache der Performance, sie ist ihre Basis.

Und auch im Hobbybereich ändert sich die Kultur: Immer häufiger hört man in Radgruppen nicht nur „Wie läuft dein Training?“, sondern „Wie geht’s dir wirklich?“.


Warum Radfahren mehr stärkt als nur die Beine

Radfahren kann, richtig dosiert, ein echter Boost für die Psyche sein. Regelmäßiges Ausdauertraining schüttet Endorphine aus, senkt Stresshormone wie Cortisol und verbessert den Schlaf – das erklärt den vertrauten „Post-Ride Calm“, den viele kennen.
Studien zeigen, dass moderate Bewegung Symptome von Depression und Angst um bis zu 30 % reduzieren kann.

Lange Ausfahrten helfen, Gedanken zu sortieren, Abstand zu gewinnen oder einfach durchzuatmen. Selbst kurze Runden können wie eine Meditation wirken.
Und obwohl Alleinfahrten ihren Reiz haben, ist es oft die soziale Seite des Radfahrens, die am meisten trägt: gemeinsam schwitzen, reden, lachen – und wissen, dass jemand da ist.

Gravelbiker fährt auf einsamer Schotterstraße durch goldene Felder – Symbol für Freiheit, Ruhe und mentale Stärke beim Radfahren.Allein auf weiter Gravelstrecke – manchmal findet man auf einsamen Wegen genau die Ruhe, die Körper und Kopf brauchen. © Profimedia


Wenn Leidenschaft in Druck umschlägt

Doch jede Medaille hat ihre Rückseite. Disziplin, Ehrgeiz und der Drang zur Verbesserung – alles, was dich im Training stark macht – kann auch kippen.
Eine Studie aus 2024 im BJM Open Sports & Exercise Medicine zeigte: Ausdauersportler:innen haben doppelt so häufig mit Angst und depressiven Symptomen zu kämpfen, die mit Übertraining und Perfektionismus zusammenhängen.

Viele fühlen sich schuldig, wenn sie pausieren – als wäre Ruhe gleichbedeutend mit Schwäche.
Und nach einem großen Rennen oder Event folgt oft das Tief: der sogenannte „Achievement Hangover“ – wenn Motivation und Stimmung nachlassen, weil das Ziel plötzlich fehlt.


Runterschalten – und andere mitnehmen

Zum Glück wächst das Bewusstsein, dass das Rad auch ein Werkzeug für mentale Gesundheit sein kann.
Eine Lancet Psychiatry-Studie fand heraus, dass Menschen, die regelmäßig Rad fahren, 21 % weniger Tage schlechter psychischer Verfassung pro Monat erleben.

Radfahren lehrt Geduld und Durchhaltevermögen – aber auch, das richtige Tempo zu finden. Zu wissen, wann du Gas gibst, wann du Hilfe suchst und wann du einfach mal stillstehst, ist Gold wert – für Fitness und Wohlbefinden.

Auch lokale Clubs und Initiativen tragen dazu bei. Kampagnen wie Ride for Mental Health oder Global Community Cycle for Suicide Prevention nutzen den Radsport, um Aufmerksamkeit und Spenden für mentale Gesundheit zu sammeln.
Immer öfter gibt es auch „Mental Health Rides“ – entspannte Gruppenausfahrten, bei denen das Miteinander wichtiger ist als Wattzahlen.


So lässt du das Rad für deine mentale Gesundheit arbeiten

Wenn du dich ausgelaugt fühlst, ist der Reflex oft: mehr Training, mehr Leistung. Doch manchmal ist das Heilsamste, einfach mal langsamer zu fahren.
Nicht jede Ausfahrt muss ein Intervalltraining sein. Manchmal zählt nur, dass du draußen warst. Frag dich: Fühle ich mich besser als vorher? Wenn ja, hast du gewonnen.

Wenn dich Zahlen stressen: Verstecke dein Power-Meter, lass Strava links liegen, fahr nach Gefühl.
Und wenn die Freude am Radfahren über Wochen schwindet, sprich mit jemandem – einem Profi, einem Teamkollegen oder einer Freundin. Reden hilft.


Zusammen stärker – auf und neben dem Rad

Das Bewusstsein für mentale Gesundheit im Radsport wächst. Viele nationale Verbände bieten mittlerweile entsprechende Ressourcen an, und Clubs integrieren Mental-Health-Themen in ihre Trainingsplanung. Auch Online-Communities – von Strava-Gruppen bis zu lokalen Facebook-Rides – werden immer mehr zu unterstützenden Netzwerken.


Richtung mentale Stärke rollen

Der World Mental Health Day erinnert uns daran: Mentale Gesundheit gehört genauso zum Training wie Intervalle oder Regeneration.
Als Radsportler*innen können wir Vorbilder sein – indem wir Grenzen ausloten, aber auch lernen, rechtzeitig loszulassen. Und indem wir füreinander da sind – im Sattel und daneben.


Wenn du oder jemand, den du kennst, Hilfe braucht

Du bist nicht allein. Sprich mit jemandem – einem Freund, einer Teamkollegin oder einer Fachperson.
Wenn du sofortige Unterstützung brauchst, findest du unter findahelpline.com internationale, kostenlose und vertrauliche Hilfeangebote in deinem Land.