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Kann der „neue Vingegaard“ den alten Pogačar schlagen?

Von Siegfried Mortkowitz

Simon Yates sicherte sich am Montag den Sieg auf der 10. Etappe der Tour de France – der erste Etappenerfolg für das Team Visma–Lease a Bike in diesem Jahr. Gleichzeitig sorgte Ben Healy (EF Education–EasyPost) für einen historischen Moment: Der Ire wurde erst der vierte Fahrer seines Landes, der das Gelbe Trikot des Gesamtführenden tragen darf.

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Die erste echte Bergetappe der diesjährigen Tour hatte es mit acht kategorisierten Anstiegen und über 4.500 Höhenmetern in sich. Yates war Teil einer Ausreißergruppe, die von Healy rund 45 Kilometer vor dem Ziel initiiert wurde. Auf dem letzten Anstieg, 2,4 Kilometer vor dem Ziel in Le Mont-Dore Puy de Sancy, setzte der Brite zur Attacke an – und ließ Ben O’Connor (Jayco AlUla) sowie Thymen Arensman (INEOS Grenadiers) hinter sich. Es war Yates’ dritter Etappensieg bei der Tour und der elfte bei einer Grand Tour insgesamt.

Healy kam mit 31 Sekunden Rückstand als Dritter ins Ziel – aber satte 4:30 vor Ex-Leader Tadej Pogačar (UAE Team Emirates–XRG). Damit geht der irische Kletterkünstler mit 29 Sekunden Vorsprung auf den Slowenen in den Ruhetag am Dienstag. Remco Evenepoel (Soudal Quick-Step) liegt 1:29 zurück, Jonas Vingegaard (Visma–Lease a Bike) folgt auf Rang vier mit 1:46 Rückstand.

„Es ist wie ein Märchen“, sagte Healy nach dem Etappenziel. „Wenn mir das vor der Tour jemand erzählt hätte, hätte ich es nicht geglaubt. Das Gelbe Trikot zu tragen – einfach unglaublich.“

Trotz Gelb: Healy wird im Gesamtklassement keine Rolle spielen, sofern nicht Verletzungen oder Krankheiten eingreifen. Denn auch in diesem Jahr scheint sich alles auf das gewohnte Duell zuzuspitzen: Pogačar gegen Vingegaard – zum vierten Mal in Folge. Und trotz Evenepoels Versuchen, daraus ein Dreierduell zu machen, ist das Rennen nach zehn Etappen noch immer eine Zwei-Mann-Show.

 

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Der „neue“ Vingegaard: explosiver, schneller – gefährlicher?

Ganz das alte Spiel ist es aber nicht. Zumindest nicht, wenn es um Vingegaard geht. Denn der Däne zeigt in diesem Jahr eine neue, explosive Qualität – eine, mit der er selbst Pogačar unter Druck setzt.

Während der Slowene bereits zwei Etappen gewonnen hat, blieb Vingegaard zwar sieglos, beeindruckte aber mit ungewohnter Spritzigkeit. Auf jede Attacke Pogačars hatte der Titelverteidiger eine Antwort – und ließ sich nicht abschütteln. Noch im Vorjahr oder beim Critérium du Dauphiné schien das undenkbar: Ein Antritt von Pogačar, und das Rennen war gelaufen. Dieses Kapitel scheint vorerst beendet.

Am Montag setzte UAE auf Bastille Day zum Angriff an – doch ohne Erfolg. Nach dem Ausfall von Berghelfer João Almeida (Rippenbruch) und den sichtbaren Schwächen von Pavel Sivakov war Pogačar auf sich allein gestellt. Visma–Lease a Bike witterte die Chance, attackierte mit Kuss und Jorgenson – aber Pogačar hielt dagegen. Am Schlussanstieg zündete er wie gewohnt seinen Turbo – doch Vingegaard klebte erneut an seinem Hinterrad.


Selbstvertrauen oder Übermut?

„Die ständigen Attacken haben mich genervt – also habe ich eine bessere gesetzt“, grinste Pogačar später. Doch Vingegaard ließ sich auch diesmal nicht abschütteln. Der „neue Vingegaard“ scheint nicht nur physisch stärker, sondern auch mental robuster.

Was ihm bislang fehlt, ist ein Etappensieg. Aber auch dafür hat er eine Erklärung. Nach Rang zwei auf Etappe 7 sagte er:
„Normalerweise wäre ich mit Platz zwei zufrieden, aber ich denke, ich habe im Sprint einen kleinen Fehler gemacht. Vielleicht hätte ich den Sprint ein oder zwei Sekunden früher starten sollen – dann wäre es vielleicht knapper gewesen. Man weiß es nie.“

Was Vingegaard damit sagt: Er glaubt, mindestens so schnell zu sein wie Pogačar – wenn nicht sogar schneller. Doch ist das realistisches Selbstvertrauen oder übertriebener Stolz? Ob seine neuen „Superkräfte“ auch in der dritten Woche Bestand haben, wird sich zeigen. Noch liegt er im Gesamtklassement 1:17 hinter dem Slowenen – aber er gibt sich kämpferisch:
„Ich glaube an mich und daran, dass wir in Woche zwei und drei den Unterschied machen können.“


Etappenresultat – Tour de France 2025, Etappe 10

  1. Simon Yates (GBR) – Visma–Lease a Bike – 4:20:05

  2. Thymen Arensman (NED) – INEOS Grenadiers – +0:09

  3. Ben Healy (IRL) – EF Education–EasyPost – +0:31

  4. Ben O’Connor (AUS) – Jayco AlUla – +0:49

  5. Michael Storer (AUS) – Tudor Pro – +1:23

  6. Joe Blackmore (GBR) – Israel–Premier Tech – +3:57

  7. Anders Halland Johannessen (NOR) – Uno-X Mobility – +4:38

  8. Lenny Martinez (FRA) – Bahrain Victorious – +4:51

  9. Tadej Pogačar (SLO) – UAE Team Emirates–XRG – gl. Zeit

  10. Jonas Vingegaard (DEN) – Visma–Lease a Bike – gl. Zeit


Gesamtwertung nach Etappe 10

  1. Ben Healy (IRL) – EF Education–EasyPost – 37:41:49

  2. Tadej Pogačar (SLO) – UAE Team Emirates–XRG – +0:29

  3. Remco Evenepoel (BEL) – Soudal Quick-Step – +1:29

  4. Jonas Vingegaard (DEN) – Visma–Lease a Bike – +1:46

  5. Matteo Jorgenson (USA) – Visma–Lease a Bike – +2:06

  6. Kévin Vauquelin (FRA) – Arkéa–B&B Hotels – +2:26

  7. Oscar Onley (GBR) – Picnic PostNL – +3:24

  8. Florian Lipowitz (GER) – Red Bull–BORA–hansgrohe – +3:34

  9. Primož Roglič (SLO) – Red Bull–BORA–hansgrohe – +3:41

  10. Tobias Halland Johannessen (NOR) – Uno-X Mobility – +5:03