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Van der Poel attackiert, Milan verteidigt das Škoda Grüne Trikot im packenden Sprintduell

Von Siegfried Mortkowitz

Als sich Mathieu van der Poel und sein Alpecin-Deceuninck-Teamkollege Jonas Rickaert auf der 9. Etappe der Tour de France zu einer 173,4 km langen Flucht entschlossen, gingen viele davon aus, dass es dem Cyclocross- und Gravel-Weltmeister vor allem um Punkte beim Zwischensprint für das Škoda Grüne Trikot ging – und dass die beiden danach wieder ins Hauptfeld zurückkehren würden.

Ein überraschender Ausreißversuch

Doch das passierte nicht. Stattdessen zogen die beiden ihre Flucht durch – zeitweise mit einem Vorsprung von bis zu 5:30 Minuten auf das Peloton. Und das, obwohl Van der Poel bekannt dafür ist, lange Solofluchten zu lieben – und einen der stärksten Motoren im Peloton besitzt. Wie sich im Nachhinein herausstellte, ging es gar nicht um Punkte: „Ich fahre nicht auf Grün“, erklärte Van der Poel später gegenüber TNT Sports. Vielmehr sei die Idee aus einem Scherz von Rickaert entstanden, der vor dem Start gesagt hatte, er würde gerne einmal auf dem Podium der Tour stehen – selbst wenn es nur für den kämpferischsten Fahrer sei.

Die Ironie: Die Etappe war 174,1 km lang, nicht 173,4. Und Rickaert, der den Großteil der Arbeit verrichtet hatte, musste rund 6 Kilometer vor dem Ziel abreißen lassen. Van der Poel wurde erst 700 Meter vor dem Ziel vom Feld gestellt. Doch das Ziel war erreicht: Rickaert wurde nach der Etappe als kämpferischster Fahrer ausgezeichnet – sein Podiumstraum wurde wahr.

„Ich glaube, ich fahre morgen nach Hause – meine Tour ist damit erledigt“, scherzte Rickaert im Ziel. „Ich wollte schon immer mal auf das Tour-Podium. Es war eigentlich ein Witz, dass wir zu zweit losfahren – aber Van der Poel meinte es ernst. Also sind wir einfach weitergefahren. Ich bin langsam gestorben da draußen. Wir haben es versucht – schade, dass es nicht gereicht hat.“

Van der Poel erklärte:

„Ich habe mit Jonas gesprochen – das war heute sein Tag. Sein Traum war es, einmal auf dem Tour-Podium zu stehen, also wollte ich ihm helfen, die Auszeichnung für den kämpferischsten Fahrer zu holen. Am Ende waren wir beide am Limit. Es war ein extrem harter Tag.“


Merlier schlägt Milan erneut im Zielsprint

Die Flucht des Duos forderte das Feld: Viele Sprinterteams hatten sich bei der Verfolgung aufgerieben und waren ohne komplette Anfahrtszüge in den finalen Kilometer gegangen – das führte zu einem chaotischen Massensprint. Am Ende blieb es sturzfrei, aber turbulent.

Wie schon auf Etappe 3 kam es zum Duell zwischen Tim Merlier (Soudal Quick-Step) und Jonathan Milan (Lidl–Trek). Milan eröffnete erneut den Sprint, doch Merlier zog kurz vor der Ziellinie noch vorbei. Arnaud De Lie (Lotto Dstny) sicherte sich mit einem starken Schlussspurt Platz 3.

Trotz der Niederlage verteidigte Milan das Škoda Grüne Trikot – mit nun 227 Punkten, gefolgt von Gesamtführendem Tadej Pogačar (UAE Team Emirates–XRG, 156 Punkte), Biniam Girmay (Intermarché-Wanty, 151 Punkte) und Tim Merlier (150 Punkte), der als einziger Sprinter bereits zwei Etappensiege feiern konnte. Van der Poel liegt mit 128 Punkten auf Rang 5 – und scheint tatsächlich kein Interesse am Grünen Trikot zu haben.

 

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Milan auf Kurs – aber der Weg nach Paris ist lang

Der 24-jährige Jonathan Milan fährt seine erste Tour de France, konnte aber bereits zweimal das Punktetrikot beim Giro d’Italia gewinnen. Nach Platz 2 auf Etappe 3 und einem verpassten Sprint auf Etappe 1 feierte er auf Etappe 8 seinen ersten Tour-Etappensieg – Merlier war dort nicht ideal positioniert.

„Es fühlt sich schon ein bisschen verrückt an“, sagte Milan nach seinem Sieg. „Etappe 1 und 3 liefen nicht wie geplant, aber wir waren nah dran. Heute haben wir aus den Fehlern gelernt – und das Finale war extrem hektisch. Es war schwer, den Anfahrer-Zug perfekt zu platzieren.“

Und zum Grünen Trikot:

„Ich habe noch ein paar Chancen und werde versuchen, so viele Punkte wie möglich zu sammeln. Wir schauen dann in Paris, wie es aussieht. Das Grüne Trikot ist ein echtes Ziel – für mich und für mein Team. Ich nehme es Etappe für Etappe – und genieße jede Sekunde, solange ich es tragen darf.“


Wer sind die Favoriten aufs Grüne Trikot?

Drei Fahrer sind aktuell realistische Anwärter auf das Škoda Grüne Trikot:

  • Jonathan Milan, der konstante Top-Platzierungen einfährt

  • Tim Merlier, der als Einziger zwei Etappen gewinnen konnte

  • Tadej Pogačar, der das Trikot eher „nebenbei“ sammeln könnte – durch Siege auf hügeligen Etappen mit hohem Punktewert

Pogačar selbst hat kein Interesse am Grünen Trikot – er will Gelb. Doch bei einem Etappensieg auf einer hügeligen Klassiker-Etappe winken ebenfalls 50 Punkte – genau wie bei Flachetappen. Wenn er weitere Etappen gewinnt, könnte er das Trikot automatisch übernehmen.

Girmay, der im Vorjahr das Grüne Trikot gewann, wirkt aktuell nicht in Topform. Seit seinem zweiten Platz auf Etappe 1 kam er in keinem Sprint besser als Platz 6 ins Ziel. Er muss schnell zurück in den Rhythmus finden, um seine Chancen zu wahren.

Merlier liegt aktuell 77 Punkte hinter Milan – das klingt viel, ist aber bei mehreren Sprintankünften noch aufzuholen. Wenn er Milan bei vier Etappen-Sprints schlagen würde, könnte er das Grüne Trikot übernehmen. Denn Platz 1 bringt 50 Punkte, Platz 2 nur 30 – ein signifikanter Unterschied.

Fazit: Milan führt, Merlier lauert – und Pogačar könnte das Trikot unfreiwillig einsammeln.