Der Giro d’Italia Women 2025 ist Geschichte – und auch in diesem Jahr wurde die Rundfahrt ihrem Ruf als emotionales, spannungsgeladenes Highlight des Frauenradsports absolut gerecht. Acht Etappen durch das hügelige Herz Italiens boten alles, was das Fanherz begehrt: explosive Anstiege, mutige Ausreißversuche, taktische Meisterleistungen und ein packendes Finale, das die Gesamtwertung noch einmal komplett durcheinanderwirbelte.
Longo Borghini verteidigt Rosa Trikot
Am Ende war es Lokalmatadorin Elisa Longo Borghini (UAE Team ADQ), die das Maglia Rosa erfolgreich verteidigte und ihren zweiten Giro-Gesamtsieg in Folge feierte. Doch der Weg dahin war alles andere als einfach: Die letzten beiden Etappen sorgten für eine echte Zitterpartie, bei der sie das Rosa Trikot von Marlen Reusser (Movistar) übernahm – und bis ins Ziel in Imola nicht mehr abgab.
Und als ob das nicht genug Drama gewesen wäre, sorgte Liane Lippert (Movistar) auf der finalen Etappe für einen weiteren Paukenschlag: Die Deutsche – bereits Siegerin der 6. Etappe – setzte am Ende des Tages eine späte Attacke und gewann den Sprint gegen keine Geringere als Anna van der Breggen (SD Worx-Protime) auf dem legendären Formel-1-Kurs von Imola. „Es fühlt sich irgendwie unwirklich an“, so Lippert im Ziel. „Unser Sport ist wie eine Achterbahn – man muss immer auf bessere Zeiten hoffen. Und die kommen.“
Ein Rennen der Wendepunkte
Der Giro d’Italia Women ist bekannt für seine Unberechenbarkeit – und 2025 war da keine Ausnahme. Die Dynamik wechselte täglich: mal dominierten Ausreißergruppen, mal wurde in den Bergen attackiert, und immer wieder verschoben sich die Kräfteverhältnisse im Kampf um das Rosa Trikot.
Über weite Strecken lieferten sich Reusser und Longo Borghini ein packendes Duell. Erst auf der schweren Königsetappe hinauf zum Monte Nerone (Etappe 7) setzte sich Longo Borghini mit einer kraftvollen Attacke entscheidend ab – ein taktischer Geniestreich, wie sie später selbst sagte:
„Es war einer dieser Tage, an denen einfach alles passt. Ich wusste, ich muss ein Risiko eingehen – und ich hatte mein Team hinter mir, um es durchzuziehen.“
Den Tagessieg holte sich jedoch Sarah Gigante (AG Insurance-Soudal), die mit einem fulminanten Solo nicht nur ihren zweiten Etappenerfolg einfuhr, sondern sich auch das Blaue Trikot der besten Bergfahrerin sicherte und letztlich sogar auf das Gesamtpodium fuhr.
„Das übertrifft all meine Träume“, so die Australierin. Ihre Woche beim Giro war zweifellos der Durchbruch.
Der Giro d’Italia Women ist nie ein vorhersehbares Rennen – und auch in diesem Jahr machte er da keine Ausnahme. © Profimedia
Etappe 8: Taktik trifft Vollgas
Die Schlussetappe von Forlì nach Imola hatte es in sich: Viermal ging es über die Cima Gallisterna, das Finale fand im berühmten Autodromo Enzo e Dino Ferrari statt – bekannt aus der WM 2020.
Früh animierten Fahrerinnen wie Lorena Wiebes (SD Worx-Protime), Sara Casasola und Léa Curinier das Rennen. Wiebes sicherte sich unterwegs entscheidende Punkte für das Grüne Trikot der Punktebesten, das sie letztlich auch gewann. Später versuchten Fahrerinnen wie Amanda Spratt und Mikayla Harvey den Sprung nach vorn – doch das Peloton ließ nicht locker.
Im letzten Drittel zerfiel das Feld in Gruppen. UAE Team ADQ verteidigte das Rosa Trikot mit großem Aufwand, während Attacken von Smulders, Holmgren, De Schepper und schließlich Van der Breggen für hohes Tempo sorgten.
Die entscheidende Szene kam unter der 3-Kilometer-Marke: Van der Breggen attackierte bergab, Lippert folgte sofort – und Reusser, die Teamplayerin, ließ sie ziehen. Gemeinsam rasten sie ins letzte Kilometer, wo Lippert 150 Meter vor dem Ziel ihren Sprint lancierte und alles klar machte.
Dahinter sicherte sich Reusser im Kampf der Verfolger den zweiten Platz in der Gesamtwertung, knapp vor Longo Borghini und Évita Muzic. Gigante verteidigte souverän Rang drei – ein versöhnlicher Abschluss für das erfolgreiche AG Insurance-Soudal-Team, das auch die Mannschaftswertung gewann.
Ein würdiges Podium
Das Gesamtklassement mit Longo Borghini, Reusser und Gigante erzählt die Geschichten dieses Giro perfekt:
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Longo Borghini triumphierte vor Heimpublikum – ein Sieg der Ausdauer, Erfahrung und Konstanz.
„Den Giro einmal zu gewinnen ist fantastisch – aber zweimal, und so? Ich bin sprachlos.“
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Reusser, die das Rosa Trikot auf Etappe 7 verlor, bewies wahren Teamgeist. Statt um ihren eigenen Etappensieg zu kämpfen, unterstützte sie Lippert auf der Schlussetappe.
„Marlen ist für mich gefahren – das gab mir das nötige Selbstvertrauen“, so Lippert.
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Gigante schließlich, noch vor Kurzem geplagt von Verletzungen, zeigte mit zwei Etappensiegen, dem Bergtrikot und Rang drei eindrucksvoll: Sie ist zurück – und stärker denn je.
„Man muss es einfach wagen. Die schweren Zeiten machen die guten noch besser.“
Ein Rennen mit Zukunft
Während die Tour de France oft im Rampenlicht steht, beweist der Giro d’Italia Women jedes Jahr aufs Neue, warum er für viele das emotionalste Etappenrennen im Frauenradsport ist: harte Strecken, ehrliche Rennen, leidenschaftliche Fahrerinnen.
2025 bot alles: Comebacks, Solo-Attacken, clevere Teamtaktiken und Sprintentscheidungen auf den letzten Metern. Und schon jetzt richtet sich der Blick auf die Tour de France Femmes, die in wenigen Wochen startet.
Fahrerinnen wie Longo Borghini, Lippert und Gigante haben mit diesem Giro ein Statement gesetzt. Die Form stimmt, das Selbstvertrauen ist da – und die Konkurrenz ist gewarnt.