Tadej Pogačar (UAE Team Emirates–XRG) und Jonas Vingegaard (Visma–Lease a Bike) lieferten sich drei Wochen lang erneut ein erbittertes Duell, auch wenn ein Teil der Spannung nach dem Zeitfahren der 5. Etappe verloren ging – dort büßte der Däne 1:05 Minuten auf seinen slowenischen Rivalen ein. Sein Rückstand wuchs auf 1:13 Minuten – kein unmöglicher Abstand, aber eben gegen den nun vierfachen Toursieger fast uneinholbar.
Vingegaard fand erst in der zweiten Woche wirklich zu seiner Form und zeigte im weiteren Rennverlauf, dass er seinem Rivalen beinahe ebenbürtig war – aber eben nur beinahe. Pogačar wirkte nie müde – auch wenn ihn in der letzten Woche eine Erkältung plagte – und Vingegaard musste sich schließlich wohl mit Platz zwei abfinden. Vielleicht erklärt das auch sein merkwürdiges Verhalten auf den letzten beiden Bergetappen (Etappen 18 und 19). Er hatte angekündigt, auf den beiden Bergankünften – am Col de la Loze (26,4 km à 6,5 %) und in La Plagne (19,1 km à 7,2 %) – alles zu riskieren. Doch als sich die Chancen boten, zögerte er – und attackierte erst, als es zu spät war.
Kurioserweise verzichtete auch Pogačar auf Angriffe, fuhr kontrolliert ins Ziel – wohlwissend, dass ihm der Gesamtsieg kaum mehr zu nehmen war. Laut TNT Sports litt er an einer Erkältung. Diese Zurückhaltung der beiden Hauptakteure sorgte für ein etwas antiklimaktisches Gefühl in einem Rennen, das zuvor mehr Höhepunkte hatte als ein Shakespeare-Festival. Besonders die zahlreichen hügeligen Etappen der ersten Woche waren chaotisch, wirr und äußerst unterhaltsam. Diese Dynamik setzte sich in der 20. Etappe fort, als Ausreißergruppen sich ständig neu formierten. Am Ende triumphierte Kaden Groves (Alpecin-Deceuninck) mit einem 16-km-Solo – sein erster Tour-Etappensieg, der ihn in den Kreis der Fahrer katapultierte, die bei allen drei Grand Tours mindestens eine Etappe gewonnen haben.
Van Aert rächt Visma – und Pogačar gewinnt seine vierte Tour
Es war beinahe poetisch passend, dass die letzte Etappe dieser wilden Tour de France auch die wildeste war. Von den 132,3 km von Mantes-la-Ville bis zu den Champs-Élysées in Paris waren nur 67,9 km tatsächliches Rennen – der Rest war Siegesfeier für Pogačar und UAE Team Emirates–XRG: Fotos, Champagner, Applaus.
Dann wurde es ernst: sechs Runden über den legendären Boulevard, inklusive erstmals drei gepflasterter Anstiege der Côte de la Butte Montmartre (1,1 km à 5,9 %, max. 9,6 %). Regen hatte Paris rutschig gemacht, weshalb die Zeiten bereits nach der vierten Runde genommen wurden – der Rest war Show. Doch viele Fahrer wollten ihre letzte Chance nutzen, in Paris zu glänzen. Pogačar war in der Spitzengruppe – ebenso wie Wout van Aert und Matteo Jorgenson von Visma.
Weltmeister Pogačar zündete die finale Attacke am zweiten Montmartre-Anstieg (23,4 km vor dem Ziel), gefolgt u.a. von Van Aert. 7 km vor Schluss attackierte Pogačar erneut – doch 500 m später wurde er auf dem Anstieg überholt: von Van Aert, der ihn distanzierte und mit 10 Sekunden Vorsprung davonfuhr – ein Abstand, der sich auf 20 Sekunden verdoppelte. Am Ende gewann Van Aert mit seinem zehnten Tour-Etappensieg – dem zweiten auf den Champs-Élysées. Pogačar wurde Vierter.
„Es war ein besonderer Tag“, sagte Van Aert. Auf die Frage, ob er diese Etappe gezielt gewinnen wollte, antwortete er: „Um ehrlich zu sein, wollte ich auch die 20 Etappen davor gewinnen.“
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Lipo vs. Onley
Doch nicht nur Pogačar und Vingegaard duellierten sich: Florian Lipowitz (Red Bull–BORA–hansgrohe, 24) und Oscar Onley (Picnic PostNL, 22) kämpften um Platz drei in der Gesamtwertung und das Weiße Trikot. Lipowitz lag zwischenzeitlich über zwei Minuten vorne, doch ein taktischer Fehler auf der 18. Etappe ließ ihn fast alles verlieren – am Ende blieben ihm noch 22 Sekunden. Auf der 19. Etappe konnte er sich wieder etwas Luft verschaffen, als Onley zurückfiel.
Erstaunlich: Lipowitz erhielt keine Hilfe seiner Teamkollegen – weder Roglič noch Vlasov unterstützten ihn. Onley hingegen hatte meist einen Helfer an seiner Seite. Beide Fahrer haben großes Potenzial – vielleicht treten sie eines Tages in die Fußstapfen von Pogačar und Vingegaard.
Es sei denn, die Gerüchte stimmen: Remco Evenepoel (Soudal Quick-Step) soll 2026 zu Red Bull wechseln. Was wird dann aus Lipowitz? Wird er wieder zum Edelhelfer degradiert für einen Fahrer, der Pogačar und Vingegaard wohl kaum schlagen wird?
Thymen Arensman!
Vier Fahrer gewannen mindestens zwei Etappen: Pogačar (4), Sprinter Tim Merlier, Jonathan Milan – und Thymen Arensman. Der 25-jährige Niederländer brachte mit seinen Siegen auf zwei der prestigeträchtigsten Etappen – Luchon-Superbagnères (Etappe 14) und La Plagne (Etappe 19) – neuen Glanz in das Team INEOS Grenadiers. Auf der 19. Etappe rettete er sich 2 Sekunden vor Pogačar und Vingegaard ins Ziel. „Ich bin am Ende“, sagte er. „Ich kann nicht glauben, dass ich sie geschlagen habe.“ Und viele konnten es ebenfalls nicht.
Blüht der französische Radsport wieder auf?
Nur eine Etappe (Mont Ventoux) wurde von einem Franzosen gewonnen – Valentin Paret-Peintre –, aber die Franzosen waren präsent: Kévin Vauquelin (7. Gesamt), Jordan Jegat (10.), Lenny Martinez im Kampf ums Bergtrikot. Sie alle sind Mitte 20 – und versprechen eine rosige Zukunft für den französischen Radsport.
Ist „chaotisch, wirr und völlig mitreißend“ die Zukunft?
Laut TNT Sports wurden die vielen hügeligen Etappen bewusst eingeführt – das Publikum wünscht sich offenbar mehr Klassiker-Feeling statt flacher Sprint-Vorbereitungen. Diese Etappen lieferten Spektakel – und führten wohl zu einer neuen Rekordgeschwindigkeit: 42,445 km/h Durchschnitt, schneller als je zuvor.
Das Publikum dürfte begeistert sein – doch reine Sprintetappen sollten nicht verschwinden. Sie erlauben Erholung und mindern das Sturzrisiko. Denn bei diesen Geschwindigkeiten wird jeder Fehler gefährlich.
Ergebnisse – Etappe 21 (2025 Tour de France)
-
Wout van Aert, Visma–Lease a Bike – 3:07:30
-
Davide Ballerini, XDS–Astana +0:19
-
Matej Mohorič, Bahrain–Victorious gleiche Zeit
-
Tadej Pogačar, UAE Team Emirates–XRG gleiche Zeit
-
Matteo Jorgenson, Visma–Lease a Bike +0:26
…
Gesamtwertung – Tour de France 2025 (Top 10)
-
Tadej Pogačar, UAE Team Emirates–XRG – 76:00:32
-
Jonas Vingegaard, Visma–Lease a Bike +4:24
-
Florian Lipowitz, Red Bull–BORA–hansgrohe +11:00
-
Oscar Onley, Picnic PostNL +12:12
-
Felix Gall, Decathlon AG2R La Mondiale +17:12
-
Tobias Johannessen, UNO-X Mobility +20:14
-
Kévin Vauquelin, Arkéa–B&B Hotels +22:35
-
Primož Roglič, Red Bull–BORA–hansgrohe +25:30
-
Ben Healy, EF Education–EasyPost +28:02
-
Jordan Jegat, TotalEnergies +32:42



