In ihrer 13-jährigen Profikarriere sammelte die heute 37-jährige Lisa Brennauer beeindruckende 58 Siege – sowohl auf der Straße als auch auf der Bahn. Sie wurde 2014 Zeitfahr-Weltmeisterin, gewann neun deutsche Meistertitel im Straßenradsport, Welt- und Europameistertitel in der Mixed-Staffel, drei Teamzeitfahr-Weltmeisterschaften sowie auf der Bahn olympisches Gold in der Mannschaftsverfolgung und WM-Titel in der Einzel- und Teamverfolgung.
Doch vielleicht bedeutete ihr kein Zielstrich mehr als jener auf der La Super Planche des Belles Filles – am letzten Tag der allerersten Tour de France Femmes avec Zwift (TdFF) im Jahr 2022. Es war nicht nur das Ende ihrer WorldTour-Karriere – drei Wochen später trat sie offiziell zurück, nachdem sie noch Platz vier bei der Straßen-EM belegte –, sondern auch ein Symbol für den tiefgreifenden Wandel im Frauenradsport, den sie miterlebt und aktiv mitgestaltet hatte.
Während ihrer Karriere erlebte der Frauenradsport ein starkes Wachstum – mit spürbar mehr Anerkennung. Die Medienpräsenz nahm deutlich zu, Live-Übertragungen und TV-Streams wurden zur Normalität. Das führte zu mehr Zuschauern, größerem Interesse, mehr Teilnehmenden – und mehr Sponsoren. Auch strukturell veränderte sich vieles: Die UCI führte Mindestlöhne, Mutterschutz und weitere soziale Standards ein – ein klares Zeichen, dass Frauenradsport als echter Beruf anerkannt wird.
Auch prestigeträchtige Etappenrennen wie die Tour de France Femmes wurden neu ins Leben gerufen oder wiederbelebt – ein Gewinn für das mediale Interesse, für Sponsoren und vor allem für die sportliche Entwicklung. Lisa Brennauers Platzierung im Gesamtklassement der ersten TdFF – Rang 58, mehr als eine Stunde hinter der Siegerin Annemiek van Vleuten – war dabei zweitrangig. Viel bedeutender war ihre Teilnahme an einem historischen Wendepunkt: einer Grand Tour mit globaler Reichweite, mit Zielankünften auf legendären Anstiegen wie der Super Planche des Belles Filles.
Das Frauen-Peloton bei der Tour de France Femmes avec Zwift 2022. © Profimedia
„Die Tour de France der Frauen ist ein riesiger Schritt nach vorn für uns“, sagte sie 2022. „Alle sind begeistert – Fahrerinnen und Teams. Die Tour ist das Highlight unseres Kalenders. Mein Team, Ceratizit-WNT Pro Cycling, nutzt die Tour zum Beispiel für ein großes Teamevent in Paris. Die ganze Firma kommt an die Seine, alle radeln eine Runde, schauen sich unsere und das Männerrennen an. Das ist der Moment, in dem echte Verbindung entsteht. Ich habe das Rennen seit meiner Jugend verfolgt, als Teenager vorm Fernseher – jetzt selbst Teil davon zu sein, fühlt sich großartig an.“
Seit dieser ersten Ausgabe der TdFF sind die Frauen bereits über den Tourmalet und die Alpe d’Huez gefahren – und 2025 stehen unter anderem der Col du Granier und der mächtige Col de la Madeleine auf dem Programm. Dabei geht es nicht ums Sightseeing, sondern darum, den TdFF zu einem globalen Aushängeschild für den Frauenradsport zu machen – ganz wie das Männerpendant.
„Sichtbarkeit ist das A und O“, erklärte Brennauer damals weiter. „Die Tour de France der Frauen bietet uns eine riesige Plattform. Wenn die Leute unsere Tour live im Free-TV verfolgen können, hilft das enorm. Acht Tage am Stück können wir zeigen, wie spannend unser Sport ist und dass wir den Männern in nichts nachstehen. Und die Zuschauer können es sich zu Hause im Wohnzimmer anschauen.“