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Wie viele Autofahrten ersetzt ein E-Bike wirklich?

Von Jiri Kaloc

Eine aktuelle deutsche Studie zeigt: Wenn du dich für ein E-Bike statt für das Auto entscheidest, leistest du möglicherweise einen größeren Beitrag für die Umwelt, als du denkst.

Ein genauerer Blick: Was ersetzen E-Bikes wirklich?

Oft wird angenommen, dass jede Person, die aufs E-Bike umsteigt, automatisch eine Autofahrt ersetzt. Doch das ist nicht immer der Fall. Manche würden sonst den Bus nehmen, mit einem normalen Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen. Um herauszufinden, wie es wirklich aussieht, haben Forscher*innen der Universität Wuppertal und der Ruhr-Universität Bochum die Daten genauer untersucht.

In ihrer Open-Access-Studie, veröffentlicht 2025 im International Journal of Sustainable Transportation, analysierten sie über 190.000 Fahrten. Mit einem sogenannten verschachtelten Logit-Modell – einem Standardverfahren in der Verkehrs- und Mobilitätsforschung – modellierten sie, wie Menschen zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln wählen: zu Fuß, öffentliche Verkehrsmittel, Auto, klassisches Fahrrad oder E-Bike.

Dabei berücksichtigte das Modell nicht nur Distanz und Fahrzeit, sondern auch Gelände, Radinfrastruktur und Zugang zum ÖPNV – Faktoren, die in früheren Studien oft vernachlässigt wurden.

E-Bikes verhalten sich eher wie Autos als wie Fahrräder

Eine der spannendsten Erkenntnisse: E-Bikes ähneln im Nutzungsverhalten eher Autos als klassischen Fahrrädern. Betrachtet man die Länge der Fahrten, liegen E-Bike-Touren viel näher an Auto-Fahrten. Anders gesagt: Menschen sind bereit, mit dem E-Bike deutlich längere Strecken zurückzulegen als mit einem normalen Fahrrad.

Auch die Geländedaten liefern interessante Einsichten. Während Hügel die Wahrscheinlichkeit, das Fahrrad zu nutzen, generell reduzieren, sind E-Bike-Fahrerinnen wesentlich weniger empfindlich gegenüber Steigungen als klassische Radfahrende. Der Motor macht das Bergauffahren zwar nicht komplett mühelos, aber deutlich machbarer.

Warum das wichtig ist

Diese Muster haben große Bedeutung für Stadtplanerinnen und Nachhaltigkeitsexpertinnen. Wenn E-Bikes Fahrten ersetzen, die sonst mit dem Auto erfolgen würden – und nicht nur normale Radfahrten – können sie einen entscheidenden Beitrag zur Reduktion von Emissionen und Verkehrskonflikten leisten und gleichzeitig körperliche Aktivität fördern.

Die Studie betont zudem, dass die Infrastruktur für E-Bikes diesem erweiterten Einsatz entsprechen sollte: längere Strecken, höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten und sichere, durchgehende Radwege, die städtische und vorstädtische Bereiche verbinden.

Wie die Forscher*innen zusammenfassen:
„E-Bikes haben das Potenzial, einen erheblichen Anteil an Autoverkehr zu ersetzen – insbesondere in Regionen mit guter Radinfrastruktur und moderaten Steigungen.“

Einschränkungen der Studie

Wie jedes groß angelegte Modell ist auch dieses nicht perfekt. Die Datengrundlage stammt aus dem Jahr 2017, als die E-Bike-Nutzung in Deutschland noch vergleichsweise gering war. Heute ist der Markt deutlich vielfältiger: Cargo-E-Bikes, Langstrecken-Akkus und neue Regelungen beeinflussen das Fahrverhalten.

Die Autor*innen räumen ein, dass eine Wiederholung der Analyse mit aktuellen Daten den Substitutionseffekt vermutlich noch deutlicher zeigen würde, da E-Bikes schneller, leistungsfähiger und gesellschaftlich akzeptierter geworden sind.

Wie viele Autofahrten ersetzt du wirklich?

Jetzt zur Zahl, auf die viele warten: Laut den Forscher*innen würden etwa 43 % aller E-Bike-Fahrten und mehr als 63 % der gesamten E-Bike-Kilometer sonst mit dem Auto zurückgelegt worden sein.

Das bedeutet: Fast die Hälfte der Male, wenn du dein E-Bike nutzt, nimmst du vermutlich ein Auto von der Straße – und bei längeren Strecken ist der Effekt noch stärker.

Das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für deine Gesundheit. Jede durch ein E-Bike ersetzte Autofahrt bringt sanfte Bewegung in deinen Alltag, was Fitness und Wohlbefinden nachweislich verbessern kann – selbst wenn der Motor einen Teil der Arbeit übernimmt.

Was Fahrer*innen und Städte daraus lernen können

Für dich als Radfahrer*in lautet die Botschaft: Jede E-Bike-Fahrt zählt – besonders die längeren Strecken. Nutze die Unterstützung des Motors, um deine Pendelstrecke zu verlängern oder hügelige Routen zu meistern, die du sonst meiden würdest. Genau diese Fahrten machen den Unterschied.

Für Städte ist die Erkenntnis ebenso klar: Mit sicheren, direkten Radwegen können E-Bikes spürbar zur Verringerung der Autonutzung beitragen und eine Brücke zwischen klassischem Radfahren und motorisiertem Verkehr schlagen.