Stell dir eine Frage: Wenn du an deine Körpermitte (Core) denkst – welche Muskeln kommen dir in den Sinn?
Wenn du „Bauchmuskeln“ sagst, bist du in guter Gesellschaft. Vielleicht denkst du auch an die schrägen Bauchmuskeln oder den unteren Rücken. Aber bei den meisten Radsportlern wird ein zentraler Muskel kaum genannt – obwohl er bei jedem Atemzug unermüdlich arbeitet: das Zwerchfell.
Obwohl das Zwerchfell vor allem für die Atmung bekannt ist, hat es weitreichende Bedeutung für deine Leistung auf dem Rad: Es beeinflusst Haltung, Kraftübertragung und Ausdauer – und verbessert deine Fahrt, je besser es funktioniert.
Dein innerer Core – das Zwerchfell im Blick
Stell dir eine Getränkedose vor:
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Der Deckel ist dein Zwerchfell,
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der Boden dein Beckenboden,
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die Seiten deine tiefen Bauchmuskeln und der Multifidus (tiefer Rückenmuskeln).
Wenn diese Elemente zusammenwirken, erzeugen sie stabilisierenden Druck von innen, halten die Wirbelsäule aufrecht, das Becken ausbalanciert und ermöglichen effiziente Bewegungen deiner Gliedmaßen. Funktioniert dieses System nur unzureichend – durch falsches Atmen oder ein schwaches Zwerchfell – leidet Haltung, Kraftfluss und letztlich deine Effizienz auf dem Bike. Kleine Verschiebungen summieren sich über lange Einheiten: Leistungsverlust, Nackenverspannung, ein Ziehen im unteren Rücken.
Atmung und Leistungsfähigkeit
Bei intensiven Belastungen – wie Anstiegen oder Sprints – atmen viele Menschen plötzlich flach nur noch über die Brust. Dadurch kommt das Zwerchfell nicht mehr zum Einsatz. Folge: Schultern heben sich, Nacken und Atemhilfsmuskeln übernehmen. Das belastet das System insgesamt und verursacht Ermüdung – nicht nur lokal, sondern im gesamten Körper.
Ein schlecht arbeitendes Zwerchfell beeinträchtigt zudem die Sauerstoffaufnahme. Atemrhythmus und Gasaustausch leiden – was zu erhöhtem Puls, subjektiv höherem Belastungsempfinden und reduzierter Ausdauer führt.
Zusammenhang: Haltung – Energie – Ermüdung
Schlechte Haltung entsteht oft durch Atemfehler. Wenn das Zwerchfell nicht stabil wirkt, übernimmt die Muskulatur oberflächlich – und ermüdet schneller. Das führt zu Hohlkreuz, Rundrücken oder Nackenverspannung. Eine fatale Spirale: schlechte Haltung → weniger Kraft → früheres Ermüden.
Aber es funktioniert auch umgekehrt: Wer das Atmen verbessert, unterstützt die Haltung. Wer bessere Haltung hat, kann die Energie effizienter auf die Beine übertragen. Das Resultat: mehr Leistung, längere Ausdauer, weniger Spannung.
Zwerchfelltraining – so einfach kann es sein
Dieses Muskel lässt sich wie jeder andere trainieren – unkompliziert, ohne Technik oder Zeitdruck.
Übung 1: Liegeübung
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Leg dich flach auf den Rücken, Beine angewinkelt, Füße am Boden.
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Eine Hand auf Brust, eine auf Bauch.
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Atme durch die Nase ein: Der Bauch hebt sich, die unteren Rippen weiten sich – die Brust bleibt ruhig.
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Atme langsam durch gespitzte Lippen aus („Kerze ausblasen“). Bauch und Rippen bewegen sich nach innen.
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Übung beliebig in Rückenlage, Bauch- oder Sitzposition (z. B. im Crocodile-Breathing) ausführen.
Übung 2: Box Breathing
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Einatmen vier Sekunden, Atem halten vier, Ausatmen vier, erneut halten vier. Wiederholen. Ruhig, regelmäßig, effektiv.
Übung 3: Bewegung + Atmung
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Bewegungsübungen wie Dead Bug und Bird-Dog bewusst mit Ausatmung nutzen.
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Atmung in Yoga-, Kraft- oder Mobilitätstraining einbauen. Bewusst statt automatisch atmen.
Effekte auf dem Rad
Erste Verbesserungen: weniger Spannung in Nacken/Schultern, Core fühlbarer stabil, Atmung effizienter. Kletterabschnitte wirken weniger hektisch, lange Ausfahrten ermüden weniger, deine Haltung bleibt länger stabil. So wirst du insgesamt effizienter – und sparst Energie, die zählt.
Fazit
In einem Sport, der kleinste Optimierungen liebst, kann der Unterschied durch besseres Atmen enorm sein. Technik, Pulley oder Sattelposition: alles gut. Aber das Einzige, das du immer mit dir trägst – dein Atem – kann dir helfen, stärker, ausdauernder und entspannter zu fahren. Dein Zwerchfell lohnt mehr Aufmerksamkeit, als du ihm vielleicht bisher gegeben hast.



