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Jonathan Milan auf dem Weg zum Grünen Trikot – nach Chaos-Sprint auf Etappe 17

Von Siegfried Mortkowitz

Jonathan Milan vom Team Lidl-Trek gewann den Massensprint auf der 17. Etappe der Tour de France am Mittwoch, nachdem rund 800 Meter vor dem Ziel ein Sturz einen Großteil seiner Rivalen zu Fall brachte oder aufhielt. Nur etwa zehn Fahrer konnten noch um den Etappensieg sprinten. Milan sammelte durch seinen Sieg 50 Punkte sowie 11 weitere bei einem Zwischensprint – damit ist er der wahrscheinliche Sieger der Punktewertung und des Grünen Trikots der Tour.

Insgesamt hat der 24-jährige Italiener nun 312 Punkte auf dem Konto und führt mit 72 Punkten Vorsprung vor Tadej Pogačar (UAE Team Emirates–XRG), dem einzigen Fahrer, der ihn rechnerisch noch einholen kann. Dafür müsste Pogačar jedoch beide kommenden Bergetappen (18 und 19) sowie drei der verbleibenden vier Zwischensprints gewinnen – und hoffen, dass Milan leer ausgeht.

Doch es ist kaum vorstellbar, dass Pogačar für das Grüne Trikot unnötige Risiken bei Hochgeschwindigkeitssprints eingeht – zumal er dieses Trikot gar nicht anzustreben scheint. Milan wiederum muss die rund 10.000 Höhenmeter der kommenden beiden Alpentage erst einmal überstehen, um das Grüne Trikot am Sonntag in Paris sicher nach Hause zu bringen.

„Bis jetzt war es definitiv eine harte Tour de France“, sagte Milan im Ziel. „Aber für das Grüne Trikot haben wir heute 61 Punkte geholt – das war eines unserer Tagesziele, und ich bin sehr glücklich darüber. In den nächsten Tagen werden wir unser Bestes geben, um noch möglichst viele Punkte bei den Zwischensprints zu holen – und dann sehen wir weiter.“

Auf die Konkurrenz durch Pogačar angesprochen, sagte Milan: „Tadej ist ein Superstar im Radsport. Mal sehen, wie viele Punkte er noch holt. Ich gebe einfach mein Bestes, um das Trikot so lange wie möglich zu verteidigen.“

Milan hatte Glück: Er fuhr weit vorn im Feld, als auf der regennassen Zielgeraden mehr als ein Dutzend Fahrer zu Boden gingen. Einige seiner direkten Sprint-Rivalen – etwa Biniam Girmay (Intermarché-Wanty), derzeit Dritter im Grünen Trikot mit 179 Punkten – wurden vom Sturz mitgerissen. Andere – etwa Tim Merlier (Soudal Quick-Step), der neben Milan zwei Etappensiege errungen hat – wurden durch gestürzte Fahrer ausgebremst. So kämpften nur noch wenige um den Etappensieg, den Jordi Meeus (Red Bull–BORA–hansgrohe) beinahe wegschnappte. Dritter wurde Tobias Lund Andresen (Picnic PostNL).

Für das Team Lidl-Trek war der Sieg eine Erleichterung, nachdem es auf Etappe 16 eine Gelegenheit verpasst hatte, Milan 20 wertvolle Punkte zu sichern. Die sportliche Leitung hatte offenbar übersehen, dass Milan Teil einer 35-köpfigen Ausreißergruppe hätte sein können, die sich 120 Kilometer vor dem Ziel bildete. Laut TNT Sports war Milan gerade auf einer Toilettenpause, als sich die Gruppe löste, und kam zu spät zurück ins Hauptfeld. Glück im Unglück: Kein Sprinter – auch nicht Pogačar – war in der Gruppe vertreten, und die 20 Punkte gingen an Fahrer, die sie nicht dringend benötigten.

Ein Fahrer, der definitiv nicht mehr im Kampf um das Grüne Trikot eingreifen wird – obwohl er es nie wollte – ist Mathieu van der Poel (Alpecin-Deceuninck). Er verließ die Tour nach Etappe 15 wegen einer Lungenentzündung. Dennoch kann er stolz sein: Er gewann eine Etappe, stand zweimal auf dem Podium und trug zweimal das Gelbe Trikot. Nach dem Ausfall von Jasper Philipsen auf Etappe 3 wurde wild spekuliert, ob van der Poel doch das Grüne Trikot anvisieren würde.

Nur zwei Etappen bleiben nun, auf denen jeweils 50 Punkte für das Grüne Trikot zu holen sind – Etappe 20 am Samstag und die Schlussetappe am Sonntag in Paris. Doch auch diese Strecken haben es in sich: Am Samstag warten vier kategorisierte Anstiege, darunter ein steiler Kategorie-2-Berg (3,5 km bei 9 %). In Paris müssen die Fahrer dreimal die Côte de la Butte Montmartre (1,1 km bei 5,9 %, max. 9,6 %) bewältigen.

Da viele Teams noch auf einen Etappensieg warten, dürften beide Etappen hart umkämpft sein – wahrscheinlich durch Ausreißergruppen mit Fahrern wie Wout van Aert (Visma–Lease a Bike) oder Kévin Vauquelin (Arkéa–B&B Hotels). Letzterer könnte – wenn er im Hochgebirge aus den Top 10 der Gesamtwertung rutscht – seinen Fans in Paris ein Abschiedsgeschenk machen wollen.

Aber diese Tour war bislang so dramatisch und unberechenbar, dass alles passieren kann – und auch passiert ist. Ich persönlich werde mein Geld lieber behalten und den Rest dieses bemerkenswerten Rennens einfach genießen.