Wie man bei einer „No-Drop“-Gruppenausfahrt abgehängt wird
Ich bin jahrelang alleine gefahren. Doch neulich entdeckte ich auf Strava eine Ausfahrt mit dem Titel „Casual (No-Drop) / Rolling Hills“, organisiert von einem lokalen Bike-Shop. Versprochen wurde ein entspanntes Tempo von 27 km/h – etwas schneller als mein normales Tempo, aber ich dachte mir: Im Windschatten geht das schon. Was folgte, war eine demütigende, schweißtreibende und überraschend lohnende Einführung in die Welt des Gruppentrainings.
Meine erste Gruppenausfahrt
Die Tour war auf Pavé Cycles’ Strava mit 72 km und 800 hm angegeben. Solide, aber nichts, was mir Sorgen machte. Ähnliche Strecken hatte ich schon oft gemacht. Es gab zwei Tempogruppen, ich wählte die langsamere – wobei „langsam“ relativ ist, wenn man beweisen will, dass man mithalten kann.
Von Anfang an war es aufregend. Wir formierten uns in einer Doppelreihe, zwei Fahrer nebeneinander, insgesamt etwa zwölf Leute. Gemeinsam aus der Stadt zu rollen fühlte sich luxuriös an. Die Autofahrer gaben uns tatsächlich Platz. Inmitten dieser disziplinierten, respektierten Gruppe fühlte ich mich im Straßenverkehr plötzlich viel sicherer.
Ins kalte Wasser geworfen
Aber ich merkte schnell: Diese Sicherheit hat ihren Preis. Gruppenausfahrten sind mental anstrengend – vor allem, wenn man neu dabei ist. Ich musste ständig auf das Hinterrad vor mir achten, Handzeichen geben, auf jedes Schlagloch und jede Bodenwelle reagieren… Die ganze Zeit voll konzentriert. Ganz anders als der meditative Flow beim Solofahren.
Und dann war da noch die Hitze. Es hatte 35 °C, die Nachmittagssonne brannte auf den Asphalt und verwandelte die Straße in einen Backofen. Die gleiche Geschwindigkeit und Anstrengung, die mich sonst locker in Zone 2 oder 3 hält, trieb meinen Puls plötzlich in Zone 4. Ich wusste, dass ich nicht gut in der Hitze fahre. Trotzdem hatte ich früher schon bei kleineren Ausreden Gruppenausfahrten abgesagt. Diesmal wollte ich es durchziehen. (Spoiler: Es wurde schlimmer, als ich dachte.)
Das Problem mit Hitze: Man kann sich nicht einfach „durchbeißen“. Alleine fahre ich automatisch langsamer, um cool zu bleiben. Aber in der Gruppe war das Tempo gesetzt. Zurückfallen bedeutete, komplett den Anschluss zu verlieren.
Wenn’s anfängt zu bröckeln
Meine Unerfahrenheit machte sich bemerkbar. Ich fuhr die meiste Zeit am Ende der Gruppe – was bedeutete, dass ich nach jeder Kreuzung, jedem Stopp und jeder Verzögerung wieder rankämpfen musste. Meine Logik war: Lieber hinten fahren, als die Gruppe auseinanderziehen. Ironischerweise machte genau das alles noch schwerer für mich.
Etwa 20 km nach dem Start erwischte uns Seitenwind auf freier Strecke. Plötzlich musste ich über meinem Schwellenbereich fahren, nur um dranzubleiben. Am nächsten Anstieg riss das Band, ich fiel zurück. Zum Glück lernte ich, was „no-drop“ wirklich heißt: Die Gruppe wartete oben auf mich.
Aber nicht jeder Anstieg war lang genug für eine echte Pause. Mit der Sonne im Nacken und den Beinen am Limit rutschte ich auch an kurzen Rampen immer wieder hinten raus. Bei Kilometer 35 dachte ich: Das war’s. Doch zwei nette Mitfahrer ließen sich zurückfallen und zogen mich wieder ran. Es fühlte sich an wie ein Mini-Teamzeitfahren – mein persönlicher kleiner Profi-Moment. Trotz der Schmerzen: ein cooles Erlebnis.
Die Leiden lassen nach
Zum Glück brachte die zweite Hälfte der Ausfahrt mehr Abfahrten und Schatten. Die untergehende Sonne nahm etwas Hitze aus der Luft, und ich konnte endlich im Feld bleiben, ohne mich völlig zu verausgaben. Wir rauschten gemeinsam lange, geschwungene Abfahrten hinunter – und zum ersten Mal an diesem Tag lächelte ich statt zu leiden. Klar, die Anstiege taten immer noch weh, aber ich war nicht mehr allein unterwegs.
Was ich gelernt habe
Zurück am Bike-Shop war ich komplett fertig. Aber auch stolz. Ich hatte durchgehalten. Knapp, aber immerhin. Einige Mitfahrer blieben noch auf ein Getränk, und einer sagte mir: „Dafür, dass du zum ersten Mal mitfährst, hast du dich gut geschlagen.“ Vielleicht war er einfach nur höflich – aber ich wählte, ihm zu glauben. Die Stimmung war offen, und das gemeinsame Leiden in der Hitze machte das kalte Getränk doppelt so gut.
Hier meine wichtigsten Learnings:
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Such dir eine Gruppe, die deinem Level entspricht. Windschatten hilft – aber nicht unbegrenzt.
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Unterschätze die Hitze nicht. Und überschätze nicht deine Fähigkeit, sie zu ignorieren.
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Wenn möglich: Fahr in der Mitte des Feldes. Am Ende des Zuges fährst du wie ein Jo-Jo – und leidest doppelt.
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Vor allem: Gruppenausfahrten sind ein ganz eigener Sport. Sozialer, dynamischer und – sobald man sich eingewöhnt – viel spaßiger. Ich hörte Ausrüstungsdebatten, bekam Zuspruch, und fühlte mich plötzlich als Teil von etwas Größerem als nur mir und meinem Rad.
Fahre ich wieder mit? Absolut. Nur vielleicht bei unter 30 °C.



